Johannes Aufricht
Weingut Johannes Aufricht
Winzerbiografien lesen sich manchmal wie Lebensläufe: Praktikum hier, Ernte da, Studium dort. Wenn man sich mit Johannes unterhält, redet man eigentlich wenig über solche Eckdaten. Ja, da gab es Stationen bei anderen Winzern (bei Benedikt Baltes etwa, als der noch in Franken war). Aber die waren nicht ausschlaggebend dafür, wie Johannes Wein macht. Wie hat alles angefangen?
Johannes war nie ein guter Angestellter oder Praktikant, sagt er selbst. Zum Glück musste er das auch nicht sein. Aufgewachsen ist er auf dem Weingut seiner Familie in Stetten am Bodensee. Das Weingut ist nicht winzig und läuft sehr gut – auch wenn der Stil ein ganz anderer ist als Johannes' eigener. Eigentlich hatte er gar nicht Winzer werden wollen: lieber Ingenieur! – systematisches Denken und technischer Verstand liegen ihm auch heute noch. Aber irgendwie übte der Wein dann doch die größere Anziehungskraft aus: der Gedanke, mit den eigenen Händen etwas herzustellen, das man konsumieren kann, hat ihn mehr fasziniert als Klimaanlagen für Panzer zu bauen. Also ab nach Geisenheim!
Johannes wirkt sehr durchdacht. Wenn er redet, gibt es kaum Zögern oder Stocken, keine Ähms, keine Ungereimtheiten. Man hat das Gefühl, man könnte überall nachhaken und eine gute Erklärung bekommen. Er meint, mit der Zeit sei das Handwerk zwar immer wichtiger geworden, und die Technik etwas in den Hintergrund getreten, aber für seine Weine gilt trotzdem: weniger laissez faire, mehr Methode. Ein Beispiel? Johannes ist kein Fan von "altem Fassgeschmack", wenn er wahrnehmbar ist. Er hat aber auch keine Lust, seine Weine sämtlich im neuen Holz zu machen, dann werde das Aroma übergriffig. Stattdessen legt er sie also für eine Weile in jüngere Fässer und zieht sie ab, wenn der aromatische und oxidative Einfluss für ihn auf den Punkt ist. Anschließend kommen sie für die weitere Reife in den Edelstahl: er wollte ein reduktives Milieu, aber Epoxy-ausgekleidete Betontanks erschienen ihm umständlich. Bei den winzigen Mengen, die er macht, haben sich große Tanks außerdem schlicht nicht gelohnt. Da hat er einen befreundeten Turbinenbauer angesprochen, ob der ihm nicht Barriques aus Edelstahl fertigen könnte – konnte er... Und so hat Johannes seinen eigenen, maßgeschneiderten "kleinen Stahl".
Die Lage für seinen Spätburgunder Krähen war bis 2015 noch eine Obstanlage: Johannes kannte die Hügelkuppe unweit des Weinguts schon seit Jahren und hatte sich stets gedacht, dass man dort eigentlich hervorragend Wein machen könnte. Er hat Nachforschungen angestellt und rausgefunden, dass die Parzelle Krähenberg vor ein paar hundert Jahren noch mit Wein bepflanzt war. Also kaufte er die Obstanlage und machte wieder einen Weinberg daraus. Für die Reben hat er sich eine bunte Mischung von Pinot Noir Reben aus verschiedenen Massale Selektionen im Burgund besorgt. Er will möglichst vielfältiges Gen-Material dort haben und in Zukunft selbst aus dem eigenen Bestand selektieren (methodisch – remember?). Weil die Anlage noch ziemlich jung ist, hat er dann sämtlich Kniffe angewandt, um der Wüchsigkeit der jungen Reben entgegenzuwirken. Die Begrünung zwischen den Zeilen und unter dem Stock sei zum Teil beinahe so hoch gewachsen wie die Reben selbst. Dazu hat er den Ertrag bewusst niedrig gehalten. Es ist wirklich ziemlich abgefahren, was für einen komplexen Wein er den jungen Reben so abgerungen hat! 100% whole bunches & unfiltriert.